Es sind nun zwei Tage vergangen, seit Papst Franziskus die Einberufung eines Konsistoriums zur Ernennung von 21 neuen Kardinälen angekündigt hat. Derartige Nachrichten sind natürlich immer sehr interessant, denn ein Konsistorium bietet einen Blick in die Zukunft der Kirche. In diesem Artikel soll das angekündigte Konsistorium einmal durch die "Konsistorialpolitik", wenn man es so nennen will, von Papst Franziskus betrachtet werden.
In einem meiner ersten Artikel habe ich mich mit der Frage beschäftigt, wie Papst Franziskus seine Kardinäle auswählt, und genau dieser frühere Artikel wird in gewissem Rahmen als Grundlage für den heutigen Artikel dienen. Wie wir sehen werden, folgt das neue Konsistorium im Wesentlichen seinen früheren Kardinalsernennungen.
Eine universelle Kirche
Das griechische Wort "katholisch" (καθολικός) bedeutet "universell" oder "allgemein", und dieses Selbstverständnis der Kirche als "katholische Kirche", in der diese Bezeichnung nicht nur eine leere Floskel ist, sondern Teil des Auftrags selbst, hat sie von Anfang an geprägt. Für Papst Franziskus war die Konstellation des Kardinalskollegiums nach seiner Wahl zum Papst ein großer Widerspruch zu diesem Verständnis.
Als er als Kardinal Jorge Mario Bergoglio die Sixtinische Kapelle betrat, um den Nachfolger von Papst Benedikt XVI. zu wählen, war er von 114 anderen Kardinälen umgeben. Davon stammten 60, also 52,2 %, aus Europa. Als Erzbischof von Buenos Aires war er einer von 13 Papstwählern aus Südamerika, dem Kontinent, auf dem zu diesem Zeitpunkt bereits die meisten Katholiken lebten1. Auch Asien und Afrika waren mit 10 bzw. 11 Papstwählern deutlich schwächer vertreten als Europa.
Genau diese Konstellation wollte Papst Franziskus universeller machen und sorgte von Anfang an für Aufsehen, indem er Kardinäle aus Ländern ernannte, die noch nie Kardinäle hatten. So erhob er in seinem ersten Konsistorium Chibly Langlois, Erzbischof von Les Cayes, in das Kardinalskollegium, den ersten Kardinal aus Haiti. In den nächsten Konsistorien folgten die ersten Kardinäle für Cabo Verde, Myanmar, Panama, Tonga, Zentralafrika, Bangladesch, Lesotho, Schweden, El Salvador, Laos, Mali, Marokko, Luxemburg, Brunei und Ruanda.
Dieses Vorgehen begründete Papst Franziskus auf seiner apostolischen Reise nach Bangladesch im Jahr 2017, damit das er versuche “kleine Kirchen, die in den Randgebieten wachsen, zu betrachten. Nicht um diesen Kirchen Trost zu spenden, sondern um eine klare Botschaft zu übermitteln: Die kleinen Kirchen, die in der Peripherie wachsen und heutzutage keine alten katholischen Traditionen haben, müssen mit der Universalkirche, mit der ganzen Kirche sprechen. Ich habe das Gefühl, dass sie uns etwas beibringen können.”
Dieses Leitbild hat sich prägend auf das Kardinalskollegium ausgewirkt; so kommen nach dem kommenden Konsistorium im August nur noch knapp über 40 % aller wahlberechtigten Kardinäle aus Europa, und auch die Zahl der Papstwähler aus Nordamerika ist seit 2013 stark zurückgegangen (von 17,4 % auf 10,6 %).
Auch im kommenden Konsistorium ist dieser Leitgedanke stark erkennbar, so wird es den ersten Kardinal aus Paraguay, Singapur und Osttimor geben und auch wenn Giorgio Marengo IMC, aus Italien kommt, wird der Apostolische Präfekt von Ulaanbaatar der erste Kardinal aus der Mongolei sein. Letzteres ist vielleicht ein Zeichen dafür, wie weit Papst Franziskus an die "Ränder" der Kirche gehen will, denn in der Mongolei gibt es derzeit nur etwa 1.300 Katholiken.
Betrachtet man nur die wahlberechtigten Kardinäle, so stammen nur vier der Ernannten aus Europa, von denen wiederum zwei, Erzbischof Arthur Roche und Erzbischof Fernando Vérgez Alzaga LC, an der Kurie arbeiten. Mit Robert McElroy kommt nur ein neuer Kardinal aus Nordamerika.
Auf Probleme und Missstände aufmerksam machen
In der Vergangenheit hat Papst Franziskus oft Bischöfe aus bestimmten Diözesen zu Kardinälen ernannt, da die Menschen dort Unrecht oder allgemeines Leid erlitten haben, und so seine Verbundenheit mit ihnen zum Ausdruck gebracht. Im Jahr 2018 war dies wohl der Grund für die Erhebung von Giuseppe Petrocchi, Erzbischof von L'Aquila in Italien, in das Kardinalskollegium, in dessen Diözese im Jahr 2009 eines der schlimmsten Erdbeben der jüngeren Vergangenheit über 300 Menschen das Leben kostete. Kardinal Petrocchi selbst hat seine Ernennung in diese Richtung interpretiert.
Dieser Gedanke findet sich mehrfach in dem angekündigten Konsistorium. Große Freude herrschte in Indien über die Erhebung von Anthony Poola, Erzbischof von Hyderabad, in das Kardinalskollegium. Poola ist der erste Dalit, der in das Kardinalskollegium berufen wurde. Dalits gelten als die unterste Gruppe in der indischen Kastengesellschaft. Sie werden als "unrein" betrachtet und daher auch als "Unberührbare" bezeichnet. In Indien ist diese Gruppe der Gesellschaft immer noch stark benachteiligt. (Für alle, die mehr über diese Situation wissen wollen, verlinke ich hier einen Artikel des Deutschlandfunks: Indien und das Martyrium der „Unberührbaren“ - Für immer zweite Klasse?)
Persönliches Unrecht hat Peter Okpaleke erfahren. Okpaleke wurde im Jahr 2012 von Papst Benedikt XVI. zum Bischof von Ahiara (Nigeria) ernannt, jedoch wehrten sich einheimische Geistliche und Gemeindemitglieder gegen seine Ernennung und hinderten ihn sogar daran, die Kathedrale zu betreten. Sie wehrten sich dagegen, da Okpaleke nicht der Mbaise-Ethnie der Region angehörte, und erst nachdem Papst Franziskus damit drohte, diese Geistlichen wegen ihres Ungehorsams zu suspendieren, akzeptierten sie Okpaleke 2018 als ihren Bischof. Obwohl sie dem zustimmten, protestierten sie weiterhin gegen das, was sie als Rassendiskriminierung ansahen. Okpaleke trat daraufhin von seinem Amt zurück, bevor Papst Franziskus ihn im Jahr 2020 zum Bischof von Ekwulobia ernannte. Nun wird er in das Kardinalskollegium aufgenommen werden.
Suffraganbischof vor Erzbischof?!
In den letzten Tagen wurde der Tatsache viel Aufmerksamkeit geschenkt, dass der Bischof von San Diego (USA), Robert W. McElroy, vor dem Erzbischof von Los Angeles, José Horacio Gómez, in das Kardinalskollegium erhoben wurde. Wie bereits im Artikel von 2020 beschrieben, ist dies nicht unbedingt ein neues Phänomen bei Papst Franziskus:
“Zum Beispiel erhob er den Bischof von Les Cayes auf Haiti (Kardinal Chibly Langlois) vor dem Erzbischof von Port-au-Prince oder den Bischof von David in Panama (Kardinal José Luis Lacunza Maestrojuán, OAR) vor dem Erzbischof von Panamá. Auch der Bischof von Huehuetenango in Guatemala (Kardinal Álvaro Leonel Ramazzini Imeri) wurde vor dem Erzbischof von Los Altos Quetzaltenango-Totonicapán zum Kardinal ernannt.”
Die Ernennung McElroys gibt jedoch in besonderer Weise den Hintergrund dafür, so geht es Papst Franziskus in erster Linie um die Personen, die er in das Kardinalskollegium aufnimmt und nicht um das Amt, das sie bekleiden oder die Diözese, die sie leiten. Die Personalie McElroy wurde meines Erachtens jedoch in dem Artikel vom Sonntag hinreichend beleuchtet, weshalb ich nicht weiter darauf eingehen werde.
Como und Mailand
Ein weiterer Suffraganbischof, der vor seinem Erzbischof zum Kardinal ernannt wurde, ist neben McElroy, Okpaleke und Richard Kuuia Baawobr (Bischof von Wa, Ghana) auch der Bischof von Como (Italien), Oscar Cantoni. Der Erzbischof von Mailand wurde erneut nicht berücksichtigt, was mich sehr überrascht hat, da ich eigentlich der Meinung war, dass die Rahmenbedingungen dafür erfüllt sind. Dennoch hat sich Papst Franziskus gegen die Ernennung von Mario Delpini in das Kardinalskollegium entschieden. Die Gründe dafür sind natürlich nicht bekannt, auf jeden Fall unterstreicht es einmal mehr die Tatsache, dass sich Papst Franziskus nicht an "die alten Regeln" gebunden fühlt.
Vielleicht wurde Cantoni in das Kardinalskollegium aufgenommen als Zeichen der Solidarität für die großen Unwetter des letzten Jahres in der Region um Como, aber das würde ich sogar überraschend finden, denn es gäbe Situationen, die mehr Solidaritätszeichen verdient hätten. Zum Beispiel hätte dann der Erzbischof von Lemberg, Mieczysław Mokrzycki, oder noch mehr der Großerzbischof von Kiew-Halytsch, Swjatoslaw Schewtschuk, das Kardinalsamt erhalten sollen.
Natürlich ist es auch möglich, dass Cantoni in die Kurie versetzt wird, wenn die Kurienreform am Pfingstsonntag in Kraft tritt oder wenn Papst Franziskus den Wechsel vornehmen will. Zwar ist Cantoni nun seit 2016 für seine Heimatdiözese zuständig, aber kann man einem Ruf des Papstes an die Kurie nicht folgen? Die Möglichkeit einer Berufung an die Kurie gilt übrigens auch für viele andere der ernannten Bischöfe, insbesondere für die Nicht-Erzbischöfe. Wenngleich Franziskus in den Fällen von Roche und You Heung-sik nicht vorschnell die Kurienchefs direkt zu Kardinälen ernannt hat. Es ist daher auch gut möglich, dass die Nachfolger der jetzigen Amtsinhaber erst im nächsten Jahr zu Kardinälen ernannt werden oder noch später in dieses Konsistorium aufgenommen werden.
https://www.pewresearch.org/religion/2013/02/13/the-global-catholic-population/
Sehr ausgewogener und detaillierter Artikel. Glückwunsch zu Deiner guten Arbeit!