Wochenrückblick #002: Freiburg, Straßburg und Rom
Auch diese Woche gibt es wieder den Wochenrückblick, in dem ich einige Themen der vergangenen Woche kurz zusammenfassen möchte. Diese Woche sind es drei Themen: Der Missbrauchsbericht aus der Erzdiözese Freiburg, die Pressekonferenz des deutschen Jesuiten Hans Zollner zu seinem Rückzug aus der Päpstlichen Kommission für den Schutz von Minderjährigen und das eingereichte Rücktrittsgesuch des Erzbischofs von Straßburg und dessen Umstände.
Missbrauchsbericht aus Freiburg
Die am Dienstag veröffentlichte Missbrauchsstudie für die Erzdiözese Freiburg kommt zu dem Ergebnis, dass es seit Ende des Zweiten Weltkriegs über 250 mögliche Täter und 540 Missbrauchsopfer gegeben hat. Die fast 600-seitige Studie wirft auch zwei ehemaligen Erzbischöfen, Oskar Saier und Robert Zollitsch, "konkretes Vertuschungsverhalten” in Fällen, in denen ein Kleriker des sexuellen Missbrauchs beschuldigt wird, vor.
Saier, der von 1978 bis 2002 im Amt war, hatte sich geweigert, Ermittlungen in Missbrauchsfällen gegen beschuldigte und/oder verurteilte Priester einzuleiten, und war nicht bereit, Staatsanwaltschaften zu informieren oder bei Ermittlungen zu helfen. Zollitsch, der bis 2013 als Erzbischof amtierte und mehrere Jahre Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz war, habe aller Wahrscheinlichkeit nach maßgeblichen Einfluss auf Personalmaßnahmen und andere Entscheidungen im Zusammenhang mit Missbrauchsvorwürfen gehabt. Die Studie wirft Zollitsch zudem vor, sein Verhalten auch nach dem Bekanntwerden des Missbrauchsskandals in Deutschland im Jahr 2010 nicht geändert zu haben, obwohl Papst Benedikt XVI. damals zur Einhaltung des Kirchenrechts aufgerufen hatte.
Die Studie nimmt auch Stellung zum Verhalten von Erzbischof Stephan Burger, der seit 2014 im Amt ist und bis heute im Amt bleibt. Die Studie fand “keine Hinweise auf ein – auch nur mittelbares – Vertuschungsverhalten”, und die kirchenrechtlich gebotenen Entscheidungen werden inzwischen ohne Verzögerung getroffen. Allerdings legt die Studie nahe, dass eine weitere Optimierung der Bearbeitung solcher Fälle aus formaler Sicht noch wünschenswert erscheint.
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, hat sich von seinem Vorgänger, dem früheren Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch, distanziert und ihm unverantwortliches Verhalten vorgeworfen. Er hält es für unmöglich, dass Zollitsch wieder in der Öffentlichkeit auftritt und erwartet, dass in jeder Diözese der schwierige Prozess der Vergangenheitsbewältigung in Angriff genommen wird, der den Betroffenen zu ihrem Recht verhilft. Diese Aufarbeitung muss seiner Meinung nach in unabhängige Hände gelegt werden.
Hans Zollner nennt Rücktrittsgründe
Der deutsche Kinderschutzexperte Hans Zollner SJ hat sich in der vergangenen Woche aus der Päpstliche Kommission für den Schutz von Minderjährigen zurückgezogen und dies nun in einer Pressekonferenz in Rom begründet. Grund für seinen Rückzug sind offenbar seine neue Aufgabe als Berater der Diözese Rom und seine zahlreichen anderen Verpflichtungen. In seiner Pressekonferenz räumte er aber auch zahlreiche Probleme innerhalb der Kommission ein.
Das Ausscheiden des Jesuiten aus der Kommission sei von seinem Anliegen geleitet worden, die Arbeit der Kommission zu verbessern. Er forderte Transparenz, die Einhaltung von Regeln und klare Zuständigkeiten, die für die Verhinderung von Missbrauch und Vertuschung in jeder Institution unerlässlich sind. Zudem kritisierte er, dass er auf seine mehrfachen Versuche, seine Warnungen intern und schriftlich einzureichen, keine Antwort erhielt. Zollner bemängelte auch das Fehlen klarer Zuständigkeiten und Aufgaben in der Kommission, insbesondere im wichtigen Bereich des Kirchenrechts.
Zollner räumte ein, dass die Kinderschutzkommission eine "geniale Idee" von Papst Franziskus sei und ihre Existenz ein Erfolg sei. Er betonte jedoch, wie wichtig es sei, dass die Kirche geeignete Wege finde, um den Opfern zuzuhören und Räume zu schaffen, in denen sie zu Wort kommen können. Die Kirche müsse die strukturellen Mängel der Kommission beheben, um sicherzustellen, dass sie weiterhin ihren wichtigen Zweck erfülle.
Trotz seines Rücktritts wird Zollner als international anerkannter Experte für die Prävention von sexuellem Missbrauch an Minderjährigen in der katholischen Kirche weiterhin in diesem Bereich tätig sein.
Luc Ravel reicht Rücktritt als Erzbischof von Straßburg ein
Nach wochenlangem Hin und Her hat der Erzbischof von Straßburg, Luc Ravel (65), seinen Rücktritt eingereicht, wie die französische Bischofskonferenz am Donnerstag mitteilte. Grund für den unter Druck aus dem Vatikan erschwünschten vorzeitigen Rücktritt ist wohl ein 'autoritärer' Führungsstil Ravels. Diese Gerüchte nahmen bereits im vergangenen Sommer Gestalt an, als der Vatikan eine apostolische Visitation anforderte, die vom Bischof von Pontoise, Stanislas Lalanne, und dem emeritierten Sekretär der Kongregation für den Klerus, Joël Mercier, durchgeführt wurde.
Radio Kathedrale berichtet:
Von progressiven Katholiken wird neben dem autoritären Leitungsstil des Erzbischofs auch Kritik an der Förderung traditioneller Gruppierungen geübt. So die Errichtung von Niederlassungen einer Ordensgemeinschaft, die sich pastoral auch der Missionierung von Muslimen verschreibt. Ein Thema, mit dem der Erzbischof bereits zu seiner Ankunft im Elsass 2017 polarisierte.
Damals mischte er sich in die Debatte um den "Bevölkerungsaustausch" (Grand replacement) ein; dem umstrittenen Begriff für ein vermeintliches Aussterben der Franzosen angesichts des Ersatzes durch nordafrikanische Einwanderer konnte Ravel offenbar einiges abgewinnen.
Nach Beschwerden von Priestern der Erzdiözese hatte Ravel wohl alles unternommen, um im Amt zu bleiben. Einerseits warb er etwa um die Unterstützung des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, da der Erzbischof von Straßburg zwar vom Papst gewählt, aber formal vom französischen Präsidenten ernannt wird. Andererseits entließ er seinen Weihbischof Christian Kratz, 70, aus dem diözesanen Bischofsrat im Zusammenhang mit einem Selbstmordfall eines ehemaligen Priesters, der des Missbrauchs beschuldigt wurde. Allerdings wird vermutet, dass dies nur ein Vorwand war, da der Vatikan wohl plante, Kratz zum apostolischen Administrator zu ernennen, falls Ravels Rücktritt nicht erzwungen werden konnte. Anders als in anderen Diözesen kann der Papst diesen aufgrund des Konkordats von 1801 zwischen Frankreich und dem Heiligen Stuhl nicht einfach entlassen.