Ende der Turiner Nachfolgefrage in Sicht?
Keine Nachfolgefrage in Italien wird so oft mit Verwunderung betrachtet wie die der Erzdiözese Turin. Die Erzdiözese Turin gilt als eine der historisch bedeutendsten Diözesen Italiens, so dass sie seit langem neben Diözesen wie Mailand, Neapel, Venedig und anderen zu den traditionellen Kardinalbistümern gezählt wird. Der derzeitige Erzbischof Cesare Nosiglia ist der erste Nichtkardinal, der seit dem 19. Jahrhundert den Bischofssitz von Turin innehat!
Inzwischen scheinen die Aussichten für Nosiglia, die Kardinalswürde zu erlangen, alles andere als hoffnungsvoll zu sein. Als Nosiglia 2019 seinen 75. Geburtstag feierte, ging man daher davon aus, dass er relativ schnell als Erzbischof von Turin abgelöst werden würde. Dies geschah jedoch nicht, und bereits zwei Monate vor Erreichen des Rücktrittsalters bat Franziskus ihn, noch zwei weitere Jahre im Amt zu bleiben. Diese zwei Jahre sind jedoch im vergangenen Oktober abgelaufen und Nosiglia ist noch immer im Amt.
Diese Tatsache hat natürlich für Diskussionsstoff gesorgt, und es wird vermutet, dass Franziskus, dessen Familie aus dem Piemont stammt, sich hier besonders viel Zeit nimmt, weil er die richtige Wahl für diese Region treffen will, die ihm so sehr am Herzen liegt. Dennoch scheint es verwunderlich, dass sich auch nach mehr als zwei Jahren zusätzlicher Bedenkzeit kein geeigneter Kandidat für die Nachfolge gefunden zu haben scheint.
Mindestens acht Namen im Rennen
In den letzten Tagen gab es jedoch neue Einblicke in die Suche nach dem nächsten Erzbischof von Turin. Mehrere italienische Medien, darunter La Stampa, berichteten übereinstimmend, dass mindestens acht Dossiers mit Kandidaten von der Bischofskongregation an Papst Franziskus übergeben wurden und nun auf seinem Schreibtisch liegen, so dass er nur noch entscheiden muss. Obwohl es üblich ist, dass Papst Franziskus bei Bischofsernennungen für Überraschungen sorgt, wird derzeit erwartet, dass der nächste Erzbischof von Turin unter diesen acht Namen sein wird.
Einige der Namen sind wenig überraschend; zum einen sollen der Erzbischof von Modena-Nonantola, Erio Castellucci (61), und der Bischof von Pinerolo, Derio Olivero (60), im Rennen sein. Castellucci hat in den letzten Monaten insofern Schlagzeilen gemacht, als er derzeit als einer der drei führenden Kandidaten für die Nachfolge von Kardinal Gualtiero Bassetti als Vorsitzender der italienischen Bischofskonferenz gilt (siehe CG-Bericht). Olivero hingegen gilt als enger Vertrauter von Kardinal Matteo Zuppi und war schon für andere Beförderungen im Gespräch, wird aber seit Monaten mit Turin in Verbindung gebracht, da er zum einen aus der Region stammt und zudem ein Suffraganbistum von Turin leitet.
Der Erzbischof von Ferrara-Comacchio, Gian Carlo Perego (61), ist vermutlich der vielversprechendste Kandidat. Perego leitet seine derzeitige Diözese seit 2017 und machte durch seine Arbeit zum Thema Migration auf sich aufmerksam, so leitete er ab 2009 die Fondazione Migrantes, die Teil der italienischen Bischofskonferenz ist. In dieser Funktion machte er großen Eindruck auf Franziskus, der die Migrationsfrage zu einem der Hauptpunkte seines Pontifikats machte. Seit letztem Jahr ist er auch Leiter der offiziellen Kommission für Migranten der italienischen Bischofskonferenz. Was Perego und allen anderen Erzbischöfen, die für das Amt in Frage kommen, schaden könnte, ist die Tatsache, dass Franziskus den Wechsel von einer Erzdiözese zur anderen scheut, auch wenn er dies in der Vergangenheit bereits angeordnet hat.
Zwei Namen, die ich persönlich sehr interessant finde und die es wohl in die Endauswahl geschafft haben: Donato Ogliari OSB (65) und Saverio Cannistrà OCD (63)!
Ogliari ist seit 2014 Erzabt der Territorialabtei von Montecassino und damit der 192. Nachfolger des heiligen Benedikt von Nursia. Bevor er in den Orden eintrat, studierte er unter anderem in Turin und hat daher eine kleine Verbindung zum Erzbistum, aber der Hauptgrund, warum ich das interessant finde, ist seine aktuelle Position. Ogliaris derzeitige Position ist eine der bedeutendsten im Benediktinerorden, und es überrascht nicht, dass er in diesem Orden ein hohes Ansehen genießt. Die Ernennung zum Erzbischof von Turin wäre, wie la Repubblica richtig feststellt, ein großes Zeichen und eine große Schlagzeile. Ogliari könnte der erste ehemalige Abt von Montecassino werden, der zum Kardinal ernannt wird, seit Michelangelo Celesia OSB (Erzbischof von Palermo) im Jahr 1884.
Pater Cannistrà ist zwar noch kein Bischof, hatte aber ein wichtiges Amt inne: Von 2009 bis zum vergangenen Jahr war er Generaloberer der Unbeschuhten Karmeliten, die einen der größten Orden der katholischen Kirche bilden. Die Wahl von Cannistrà wäre die Wahl für einen Außenseiter, aber das ist genau das, was Franziskus so oft will. Quellen zufolge könnte Cannistrà auch für das Amt des Erzbischofs von Florenz in Betracht gezogen werden, das wahrscheinlich bald frei werden wird (Kardinal Giuseppe Betori feiert in genau einem Monat seines 75. Geburtstag), da er viele Verbindungen in der Region hat.
Der Vollständigkeit halber möchte ich auch die anderen Namen erwähnen, die wohl auf dem Schreibtisch von Franziskus liegen. So sind wohl auch Egidio Miragoli (Bischof von Mondovi, 66), Carlo Roberto Maria Redaelli (Erzbischof von Gorizia, 65) und Antonio Suetta (Bischof von Ventimiglia-San Remo, 59) sind ebenfalls im Rennen.
In jedem Fall lässt diese neue Nachricht hoffen, dass eine Entscheidung unmittelbar bevorsteht, aber die endgültige Ernennung wird dann direkt mit den nächsten Fragen verbunden sein, nämlich ob der neue Erzbischof von Turin die Kardinalswürde erhält oder ob der Status des Kardinalbistums endgültig verwirkt werden könnte.
Update, 28. Januar: Es scheint erneut etwas Schwung in die ganze Angelegenheit gekommen zu sein, so berichtet unter anderem La Stampa unter Berufung auf vatikanische Quellen, dass zu den acht Namen noch zwei weitere hinzugefügt werden sollen. Während der eine Name bisher noch unbekannt ist, wird nun wohl auch mit Pater Francesco Patton OFM, der Kustos des Heiligen Landes als Kandidat gehandelt. La Stampa berichtet, dass Franziskus die Liste von 10 dann auf die letzten drei Namen reduzieren und dann eine endgültige Entscheidung treffen will und das schon "in ein paar Tagen oder höchstens einer Woche."
Zudem gelte nun Donato Ogliari OSB, der Erzabt von Montecassino, als führender Kandidat!