Die Kurienreform im ersten Überblick
Neun Jahre lang hat Papst Franziskus an seinem bedeutendsten Akt als Papst gearbeitet: der vollständigen Umgestaltung und Reform der römischen Kurie! Mit der heute veröffentlichten Apostolischen Konstitution Praedicate Evangelium, die am Pfingstsonntag, dem 5. Juni, in Kraft tritt, ist diese Reform nun veröffentlicht worden. Um einen einfachen Überblick über die Änderungen zu erhalten, werde ich die wichtigsten Dinge zusammenfassen.
Allgemeine Änderungen
Vielleicht die erste kleine interessante Randnotiz: Von nun an gibt es keine Päpstlichen Räte, Kongregationen und Dikasterien mehr, sondern mit dem Inkrafttreten von Praedicate Evangelium, das die apostolische Konstitution Pastor bonus von Johannes Paul II. ersetzt, werden alle Ämter der Kurie Dikasterien genannt.
Eine Änderung, die besondere Aufmerksamkeit erregen wird bzw. bereits erregt hat, ist die ausdrückliche Erwähnung, dass Laien, Männer und Frauen, nun auch Führungspositionen in der Kurie übernehmen können. Hier wird es interessant sein zu sehen, ob es einen solchen Fall direkt bei den ersten Ernennungen geben wird. Eine logische Vermutung wäre, dass beispielsweise ein Laie die Nachfolge von Kardinal Kevin Farrell als Präfekt des Dikasteriums für Laien, Familie und Leben antritt, aber das wäre zum jetzigen Zeitpunkt nur Spekulation.
Die Amtszeit von fünf Jahren für Präfekten, Sekretäre, Untersekretäre und dergleichen findet sich zwar auch in Praedicate Evangelium, doch wird hier nicht mehr wie in Pastor Bonus erwähnt, dass die Personen in diesen Ämtern ihren Rücktritt mit Vollendung des 75. Lebensjahres einreichen müssen. Stattdessen ist nun vorgesehen, dass man mit 80 Jahren automatisch aus dem Amt scheidet. In der Praxis könnte dies bedeuten, dass es mehr Fälle wie die Ernennung von Fernando Vérgez Alzaga LC geben wird, also Personen, die bereits die 75-Jahres-Marke überschritten haben oder bald überschreiten werden.
Dikasterium für eie Evangelisierung
Das Staatssekretariat bleibt die wohl wichtigste Einheit, da sich dort jedoch nicht viel ändert, möchte ich direkt mit dem neuen Dikasterium für die Evangelisierung beginnen. Obwohl die Dikasterien rechtlich alle gleich sind, ist es nicht schwer zu erkennen, dass die Evangelisierung hier einen besonders hohen Stellenwert hat. Das geht natürlich schon aus dem Titel (“Das Evangelium verkünden”) hervor. So wird auch zu Beginn der Konstitution wird auch viel von der Bedeutung der Evangelisierung gesprochen, denn diese Reform sollte besonders diese Thematik widerspiegeln.
Allerdings wird auch das Dikasterium für die Evangelisierung als erstes Dikasterium genannt, was bisher immer der Glaubenskongregation (bzw. jetzt dem Dikasterium für die Glaubenslehre) zukam. Dies war erwartet worden, aber eine Änderung zeigt vielleicht noch mehr die neue, gehobene Stellung des Dikasteriums für die Evangelisierung: der Papst selbst leitet das Dikasterium!
Das ist im Grunde nichts Neues in der Geschichte der Kurie, denn bis 1965 war der Papst selbst Präfekt der Kongregation für das Heilige Offizium, aus der dann die Kongregation für die Glaubenslehre wurde.
Innerhalb des Dikasteriums für die Evangelisierung wird es nun zwei Sektionen geben, die jeweils von einem Pro-Präfekten im Namen des Papstes geleitet werden wird. Die erste Sektion beschäftigt sich mit Grundfragen der Evangelisierung in der Welt, während sich die zweite mit Erstevangelisierung und neuen Teilkirchen beschäftigen wird. Das bedeutet auch, dass die Aufgaben, die bisher vom Päpstlichen Rat zur Förderung der Neuevangelisierung wahrgenommen wurden, nun von diesem Dikasterium übernommen werden.
Dikasterium für die Glaubenslehre
Die neue Struktur der Glaubenskongregation wurde bereits vor einigen Wochen veröffentlicht, jedoch ist eine Änderung sehr nennenswert: Die Päpstliche Kommission für den Schutz von Minderjährigen wird nun in das Dikasterium für die Glaubenslehre eingereiht!
Die Reaktion von Kardinal Seán O'Malley, der den Vorsitz der Kommission innehatte, war folgende:
Wie diese Eingliederung der Kommission in das Glaubensdikasterium vonstatten gehen wird oder wie dies die Arbeit verändern wird, wird in dem Dokument nicht gesagt. Vielleicht ist es einfach Teil einer allgemeinen Bemühung, beratende Kommissionen in den entsprechenden Büros des Dikasteriums anzusiedeln, offenbar zum Zwecke der Budgetierung, Planung und eines gestrafften Organigramms, wie es bei The Pillar spekuliert wird.
Dikasterium für den Dienst der Nächstenliebe
Die Apostolische Almosenverwaltung wird umbenannt und heißt von nun an Dikasterium für den Dienst der Nächstenliebe, auch wenn in der Konstitution der Name "Apostolische Almosenverwaltung" weiterhin sozusagen als Zweitname verwendet wird. Der Präfekt, der dem Dikasterium vorsteht, trägt auch weiterhin den Namen "Päpstlicher Almosenier".
Dikasterium für die Bischöfe
Wie bei den meisten Dikasterien scheint es auch im Bischofsdikasterium keine großen Veränderungen zu geben, aber einen Satz aus der Konstitution scheint interessant. So heißt es in Bezug auf Bischofsernennungen: "In diesen Prozess bezieht [das Dikasterium] in geeigneter Form auch Mitglieder des Volkes Gottes aus den betroffenen Diözesen ein." Wie das in der Praxis aussehen wird, bleibt abzuwarten.
Dikasterium für Kultur und Bildung
Der Päpstliche Rat für Kultur und die Kongregation für das katholische Bildungswesen wurden zu einem einzigen Dikasterium zusammengelegt, allerdings mit zwei Abteilungen - einer für Kultur und einer für Bildung.
Persönlich finde ich die Zusammensetzung dieser beiden Ämter auf den ersten Blick etwas seltsam, so scheint es, dass man offensichtlich kein Dikasterium für Kultur haben wollte und die Zuständigkeitsbereiche irgendwo unterbringen musste. In den Zuständigkeitsbereich der Kulturabteilung fällt nun offenbar auch der Austausch mit Nicht-Gläubigen, so heißt es in dem Dokument: "Die Kulturabteilung initiiert und fördert Initiativen für den Dialog mit denjenigen, die sich zwar nicht zu einer bestimmten Religion bekennen, aber aufrichtig die Begegnung mit der Wahrheit Gottes suchen, und zeigt auch die pastorale Sorge der Kirche für diejenigen, die sich zu keinem Glauben bekennen."
Dikasterium für die ganzheitliche Entwicklung des Menschen
Die Abteilung für Migranten und Flüchtlinge des Dikasteriums scheint nicht mehr zu existieren, so dass der Aufgabenbereich nun ein fester Bestandteil der Zuständigkeit des Dikasteriums ist.
Abschluss
Das sind für mich vorerst die wichtigsten Änderungen, denn viele Ämter sind in ihren Zuständigkeiten mehr oder weniger gleich geblieben, so dass oft - abgesehen von der Umbenennung in Dikasterium - nur minimale interne Änderungen an den Strukturen vorgenommen wurden.
Viele Gedanken über die Änderungen und die Bedeutung einiger von ihnen werden morgen sicherlich zumindest teilweise beantwortet werden, denn das Dokument wird dort in einer Pressekonferenz unter anderem von Kardinal Marcello Semeraro, dem ehemaligen Sekretär des Kardinalsrates, der maßgeblich an der Gestaltung dieser Kurienreform beteiligt war, erläutert werden.