Bischofskongregation: Von kirchenpolitischen "Schleierernennungen" mit Folgerichtigkeit
Was die Berufung von Kardinal Tobin an die Bischofskongregation bedeuten könnte
In der vergangenen Woche hat Papst Franziskus kurz vor seiner nahenden Irak-Reise mit dem US-amerikanischen Kardinal Joseph William Tobin, dem Erzbischof von Newark, und dem brasilianischen Kardinal Sérgio da Rocha, seinerseits Erzbischof von São Salvador da Bahia und Primas von Brasilien, zwei neue Mitglieder für die Kongregation für die Bischöfe ernannt.
Überraschend wenig Aufmerksamkeit im deutschsprachigen Raum erlangte dabei die päpstliche Entscheidung für Kardinal Tobin. Warum die Ernennung jedoch primär eine wegweisende Entscheidung für die Katholische Kirche in den Vereinigten Staaten von Amerika ist und sein wird, will ich hier erläutern.
Die Kongregation für die Bischöfe
Bevor wir die Implikationen der Ernennung von Kardinal Tobin betrachten können, sollte erst einmal erklärt werden, was die spezifische Aufgabe der Kongregation für die Bischöfe ist.
Dieses fast fünfhundert Jahre alte Dikasterium ist dafür zuständig, Kandidaten für einen vakanten Bischofsstuhl an den Papst weiterzuleiten, der diesen Kandidaten dann ernennen oder ablehnen kann. Dabei muss der Papst nicht einen der vorgeschlagenen Kandidaten wählen, sondern kann auch einen eigenen Kandidaten ernennen, der vielleicht von der Kongregation nicht (direkt) berücksichtigt wurde. Im Normalfall ernennt der Papst, wenn es um kleine Diözesen geht und ihm somit die genaue Kenntnis zu anderen Kandidaten der jeweiligen Ortskirche fehlt, immer den vorgeschlagenen Kandidat und vertraut somit auf die Kongregation für die Bischöfe.
Aus genau diesem Grund ist die Kongregation für die Bischöfe, zusammen mit dem Staatssekretariat und der Kongregation für die Glaubenslehre, vermutlich die wichtigste Instanz der römischen Kurie.
Die Bischofskongregation besteht, wie jede andere Kongregation, jedoch nicht nur aus dem Präfekten, dem Sekretär und möglicherweise den Untersekretären. Unterstützung erfahren sie bei der Empfehlung etwaiger Bischofskandidaten von einer Vielzahl an Mitgliedern, die im Normalfall alle den Kardinalspurpur oder zumindest die Bischofswürde bekleiden.
Genannte Mitglieder treffen sich dabei so gut wie jeden zweiten Donnerstag und beraten dort über verschiedene Bischofsernennungen. Dabei übernimmt normalerweise immer ein Mitglied, meistens aus oder mit ausgiebiger Kenntnis über das betreffende Land, mindestens eine Diözese, die aktuell ohne Bischof ist oder einen Bischof im Rücktrittsalter hat. Mögliche Kandidaten für die Position als Diözesanbischof oder eines Koadjutors werden dabei mit ihrer Lebensvita und ihren Leistungen für Welt- und Ortskirche vorgestellt. Für gewöhnlich bezieht man sich dabei auf eine Liste von drei Kandidaten, die vom Apostolischen Nuntius des betreffenden Landes zusammengestellt wurde.
Nach der Beratung stimmen die Mitglieder über den Kandidaten ab. Sollte man dem Kandidaten zustimmen, dann empfiehlt der Präfekt für die Kongregation für die Bischöfe, aktuell Kardinal Marc Ouellet, diesen dem Papst bei seiner samstäglichen Audienz. Lehnt der Papst ab, geht der Prozess wieder von vorne los, was die teilweise langen Vakanzen der Bischöflichen Stühle erklären kann.
Die Bedeutung der Ernennung Kardinal Tobins‘
Die Mitgliedschaft der Kongregation läuft nach fünf Jahren oder bei Vollendung des 80. Lebensjahres aus. Deshalb schied auch Kardinal Donald Wuerl, emeritierter Erzbischof von Washington D.C., am 12. November 2020 als Mitglied der Kongregation für die Bischöfe aus. Somit war ein US-amerikanischer Platz frei geworden, der nun an Kardinal Joseph Tobin vergeben wurde.
Aber warum ist die Ernennung nun so nennenswert?
Kardinal Tobin hat allgemein den Ruf, ein Bischof nach päpstlicher Fasson zu sein: Er gilt als weltoffen und pastoral wie theologisch als „Progressiver”!
In den USA wird Tobin, gemeinsam mit Kardinal Blase Cupich von Chicago und Bischof Robert W. McElroy von San Diego, allgemein zu einem der führenden Bischöfe der sich nominell noch in der Minderheit befindenden „Progressisten-Fraktion“ gezählt. So gehörte Tobin beispielsweise zu einer handvoll von Bischöfen, die offen das Buch „Building a Bridge“ des kontroversen Jesuitenpaters James Martin, in dem eine Änderung der katholischen Sexualmoral angepriesen wird, unterstützten.
In der Berichterstattung von The Pillar wurde auf die Anmerkung wert gelegt, dass die Ansichten dieses „progressiven” Lagers nicht der Mehrheitsmeinung der US-amerikanischen Bischöfe entspreche, aber trotzdem seien nun zwei ihrer wichtigsten Vertreter maßgeblich an der Ernennung neuer US-Bischöfe beteiligt. Denn nicht nur Kardinal Tobin ist Mitglied der Kongregation für die Bischöfe, sondern auch der eben schon erwähnte Kardinal Blase Cupich.
Zwar stimmen alle Mitglieder der Bischofskongregation über einen Kandidaten ab, dennoch wird die Stimme dieser beiden Kardinälen bei künftigen Ernennungen in den USA besonders kraftvoll sein, denn nun können sie Namen ins Gespräch bringen, die vielleicht nicht auf der Liste des Nuntius stehen. Zudem unterhält Kardinal Tobin sehr gute Kontakte in die Kurie: In der Pontifikatszeit Benedikts’ XVI. fungierte er zwischen 2010 bis 2012 als Sekretär der Kongregation für die Institute geweihten Lebens und für die Gesellschaften apostolischen Lebens.
Tobin könnte durch seine dortigen Kontakte und seine Nähe zu Papst Franziskus zu einem absoluten „Kingmaker” für Bischöfe werden, wie es John L. Allen von Crux so adäquat beschrieben hat.
Der Einfluss der Kardinäle Tobin und Cupich könnte sich dabei jedoch nicht nur auf Personalentscheidungen in den Vereinigten Staaten von Amerika und in Kanada auswirken, sondern auch auf die in südamerikanischen Ländern. Hierbei könnte die Verbindung zum gebürtigen US-Amerikaner Robert F. Prevost, amtierender Bischof von Chiclayo (Peru), behilflich sein, der seit dem vergangenen Jahr Mitglied der Kongregation für die Bischöfe ist und nach Angaben von The Pillar auch zum “progressiven” Lager gezählt werden kann.
Die Vermutung ist nun, dass sich diese neue „Koalition” aus „progressiven” US-Amerikanern in der Bischofskongregation ziemlich schnell auf die Bischofsernennungen in den Vereinigten Staaten von Amerika (und eventuell auch darüber hinaus) auswirken könnte.
Ob dies der Fall sein wird, werden wir vermutlich im kommenden Jahr direkt zu sehen bekommen. Einige große Diözesen stehen kurz vor einem bischöflichen Stabswechsel. Zum einen wird Kardinal Sean O’Malley, Erzbischof von Boston, im Juni bereits 77 Jahre alt. Obwohl Papst Franziskus ihn - wie beispielsweise auch den Wiener Kardinal Christoph Schönborn - gebeten hat, länger in seinem Amt zu bleiben, könnte der einflussreiche Kardinal im kommenden Jahr in den Ruhestand gehen.
Sollte sich Papst Franziskus für die Annahme des Rücktritts von Kardinal O’Malley entscheiden, dann könnte der bereits erwähnte Bischof Robert W. McElroy wohl ein nennenswerter Kandidat sein. Als weitere Anwärter auf die Nachfolge Kardinal O’Malleys dürften Christopher J. Coyne, Bischof von Burlington, und (mindestens) zwei der Weihbischöfe von Chicago, Jeffrey Scott Grob und Robert Gerald Casey, gelten.
Eine weitere Diözese, die vermutlich in diesem Jahr noch einen neuen Bischof haben wird, ist die Diözese Brooklyn, die zwar keine Erzdiözese, aber dennoch die fünftgrößte Diözese der USA ist. Der amtierende Amtsinhaber Nicholas Anthony DiMarzio ist mittlerweile 76 Jahre alt und gehört ohne Frage zu den „konservativeren” Bischöfen. Seine Nachfolge dürfte somit einer ersten Weichenstellung der neuen US-amerikanischen Bischofskongregationsmitglieder gleichkommen.
Wenn Ihnen dieser Beitrag gefallen hat, dann können Sie den Blog unterstützen, indem Sie den Beitrag teilen (Share-Button) und indem Sie sich für den Newsletter eintragen (Subscribe now-Button), durch welchen Sie keinen Beitrag mehr verpassen werden: